autoveteranen.de/Flugzeug

wörtliche Abschrift des Buches 'Bibliothek denkwürdiger Forschungsreisen Band X. Luftfahrten, Herausgeber C. Falkenhorst , Union Deutsche Verlagsgesellschaft 1891


Buch: Bibliothek denkwürdiger Forschungsreisen

Inhaltsverzeichnis

Seite

Die Vorgeschichte der Aeronautik
1

Die Sage von Phiros und Helle. - Die thessalischen Pristerinnen.
- Die heilige Sekte der Kapnobaten. - Der Thron des Cyarares. -
Die Taube des Archytas. Lanas Luftschiff. - Die Kunst, in den Lüften
zu segeln, nach Gallien. - Laurenco de Gusmann, der fliegende Mann. -
Die Papiere der Universität zu Coimbra. - Der Roman des Herrn
de La Folie. - Die Entdeckung des Wasserstoffs. - Die Seifenblasen
Cavallos.


Die ersten Luftballons
12
Eine Anekdote. - Die Brüder Montgolfier. - Künstliche Wolken. -
Der Versuch zu Annonay. - Beschreibung der ersten Montgolfiere. -
Die Eifersucht der Pariser. - Faujas de St. Fond. - Die National=
subscription. - Professor Charles. - Die Füllung des ersten Gasballons
mit der entzündbaren Luft. - Ein Transport bei Fackelbeleuchtung. -
Der Versuch auf dem Marsfelde. - Gelehrte Beobachter. - Die Bauern
von Gonesse. - Eine Proklamation zum Schutze des Ballons.


Die ersten Luftfahrer
26
Der Versuch in Gegenwart des Königs. - Vorbereitungen. - Der
19. September. - Ein Hammel, ein Hahn und eine Ente. - Pilatre
de Roziers Probefahrten im Ballon captif. - Die erste Luftfahrt in der
freien Montgolfiere. - Urkunde darüber, von Benjamin Franklin unter=
zeichnet. - Eigenhändiger Bericht des Marquis d'Arlandes. - Die neue
Charliere. - Verbesserte Füllvorrichtungen. - "Über mein Leben hat der
König zu verfügen, aber nicht über meine Ehre.". - Professor Charles
und Robert steigen auf. - Der Bericht von Professor Charles.


Kühne Nachfolger
50
Die ersten Frauen im Ballon captif. - Madame Tible, die erste
Luftschifferin. - Ihr Schreiben an eine Freundin. - Magnetische Kur. -
Das erste Opfer der Lutschiffahrt. - Die Montgolfiere in Wien. -
Blanchard. - Eine Ballonfahrt über das Meer. - Plilatre de Rozier
und sein Tod. - Reklamehelden. - Graf Zambeccari. - Vereinigung
der Charliere und der Montgolfiere. - Zambeccaris Verdienste um die
Aeronautik. - Sein früher Tod.


Wissenschaftliche Fahrten
72
Der Anblick der Erde. - Ein Denkmal aus der Vogelschau gesehen. -
Eine Fahrt durch die Wolken. - Der Kampf der Elemente - Sonnen=
aufgang in der Höhe. - Das Wolkengewölbe. - Der Wolkenring. -
Auf dem umgekehrten Ozean. - Das Ballongespenst. - Ein Diner in
den Lüften. - Der Bordeaux wird zum Champagner. - Wie die Flasche
fällt. - In höchster Höhe. - Blaisher verliert das Bewußtsein. -
11277 Meter über dem Meeresspiegel. - Das Studium der physiolo=
gischen Erscheinungen. - Sivel, Gaston Tissandier und Groce=Spinelli. -
Ballons mit Sauerstoff. - Tot in der Höhe des Gaurisankar.


"Sind wir ein Spiel von jedem Druck der Luft?"
92
Der Luftdruck und das tierische Leben. - Der Luftdruck und der Rheu=
matismus. - Die Bergkrankheit. - Die Puna oder Beta. - Saussure. -
Paul Berts Versuche. - Der Vogel unter der Glocke der Luftpumpe. -
Die belebende Wirkung des Sauerstoffs. - Versuche mit Menschen. -
Sivel, Groce=Spinelli und Gaston Tissandier. - Die Wirkung der kom=
primierten Luft. - Versuche mit Ratten. - Die Taucher. - Die Tuben=
arbeiter beim Bau der Brückenpfeiler. - Gefahren und Tod. - Vor=
sichtsmaßregeln. - Die giftige Wirkung des komprimierten Sauerstoffs.


Die Ballontechnik
99
Die Ballonhülle. - Das Ausschneiden der Bahnen. - Das Zu=
sammennähen. - Der Firnis. - Die Füllgase. - Wasserstoff. - Leucht=
gas. - Wassergas. - Die Kosten der Füllung. - Die Gefahren der=
selben. - Der Tragering. - Die Gondel. - Der Ballast. - "Los!"
"Glück ab!" - Das Fahren - Die Gleichgewichtszone. - Die Empfin=
lichkeit des Ballons. - Einfluß von Stadt, See und Wald. - Die höchste
Höhe. - Das Landen. - Das Schlepptau und der Anker.


Der Kriegsballon
107
Die erste Luftschifferkompagnie der Welt. - Die Herstellung des
Wasserstoffgases. - Die Luftschifferschule von Meudon. - Die Füllung
des ersten Luftballons. - Der "Entreprenant". - Die Schlacht von
Fleurus. - Die französischen Kriegsballons in Deutschland. - Die Schule
von Meudon wird aufgehoben. - Der Luftballon in dem Secessionskriege
und in Paraquay. - Der Krieg 1870 und 1871. - Die Ballons in
Paris und die Ballonpost. - Die Ballons captifs der Loirearmee. -
Die deutsche Luftschifferkompagnie. - die modernen Kriegsballonparks.
- Der Kriegsballon in Tonkin und vor Suakin. - Das Ballongeschütz.
-Lufttorpedos.


Die Ballonphotoraphie
138
Die Trockenplatten. - Die Technik der Photographie. - Touristen=
apparate. - Die Momentphotographie. - Pneumatischer und elektrischer
Momentverschluß. - Der Apparat in der Gondel. - Photographische
Aufnahmen von Paris und Berlin. - Die Photographie vom Drachen
aus. - Die Mikophotographie. - Die Ballonpost. - Die Verviel=
fältigung der Taubendepeschen.


Das lenkbare Luftschiff
154
Die Versuche, den Ballon lenkbar zu machen. - Henri Giffard. -
Der Ballon Dupuy de Lomes. - Das lenkbare Luftschiff von Hänlein. -
Anwendung elektrischer Motoren. - Das Projekt Tissandiers. - Der
"Dirigeable" von Kapitän Renard und Krebs. - Die erste Fahrt im
lenkbaren Luftballon. - Die Flugmaschine. - Der Papierdrache. - Der
Riesendrache von Maillot. - Die Aeroplanes. - Modelle. - Hensons
Flugmaschine. - Die Zukunft der Aeroplanes. - Die Erfindung der
Luftschraube. - Cayleys Apparat. - Uhrwerkmodelle. - Das Projekt
de la Landelles. - Leichte Motoren. - Das Problem des Vogelfluges.


Fallschirme
186

Montgolfiere 1783
Untertitel: Versuch mit der Montgolfiere in Versailles am 19. September 1783
Nach einem gleichzeitigen Kupferstiche.

ausgewählte Bücher zum Thema Ballongeschichte



Vorgeschichte der Aeronautik

Es war einmal ein König, der in der Stadt Orchomenos
in Böotien herrschte und zwei Kinder hatte, einen Sohn,
der Phrixos, und eine Tochter, die Helle hieß - so kann
man die Geschichte der Aeronautik beginnen, wenn man bis
in die sagenhaften Ursprünge derselben zurückgehen will.
Die Kinder, erzählt uns die Sage weiter, bekamen nach
dem Tode ihrer rechten Mutter eine böse Stiefmutter
Namens Ino, die ihnen nach dem Leben trachtete. Da hatte
ihre rechte Mutter Nephele im Grabe keine Ruhe, erschien
den Kindern um Mitternacht und gab ihnen zur Flucht einen
Widder, der goldene Wolle trug und goldene Hörner, die
wie die Sicheln des Mondes glänzten. Auf diesem gold=
wolligen Widder floh Phrixos mit seiner Schwester Helle
über das Meer. Als sie an die Meerenge kamen, die Asien
von Europa trennt, fiel Helle von dem Widder in das Meer,
das von ihr den Namen Hellespont, d.h. das Meer der Helle,
erhielt; den Bruder aber trug der Widder in das Land
Kolchies. Hier opferte in Phrixos und hing das goldwollige
Fell oder Vließ in dem heiligen Haine des Ares, des Kriegs=
gottes, auf.
Die Sagen aller Völker sind reich an derartigen Er=
zählungen. Auf Schwänen ziehen die Helden durch die
Lüfte, Adler tragen sie über Länder und Meere. Verdient
die thessalische Sage eine besondere Würdigung? Ist sie
nicht eine einfache Personifikation eines meteorologischen
Vorganges? Der König hieß Athamas und war Sohn des

Aeolus, des Gottes der Winde. Seine erste Gattin war
Nephele, die Wolke, und ihre Kinder Helle, der Blitz, und
Phrixos, der Regen.
So urteilte man früher über diese Mythe, bis man
nach Jahrhunderten einen unverständlichen Bericht griechi=
scher Historiographen mit derselben Verbindung zu setzen
verstand. In Thessalien erheben sich die Ruinen cyklopischer
Mauern, die auf eine hohe vorhellenische Kultur schließen
lassen, und von allen thessalischen Frauen wird berichtet, daß sie
in allen Künsten der Zauberei wohlbewandert waren, daß
sie verstanden, sich an zwei mit Rauch gefüllten Säcken von
hohen Bergen herunterzulassen. Seit dem Jahre 1783, da
die Montgolfiere zum Himmel emporstieg, sind jene rauch=
gefüllten Säcke bedeutungsvoller geworden.
Man ist unwillkürlich geneigt, diesen Bericht auch mit
einem anderen von Atrabo in Verbindung zu bringen,
demnach es bei den Hyperboräern, vermutlich in Thracien,
eine Sekte gegeben habe, deren Mitglieder heilig gehalten
wurden und den Namen Kapnobates führten. Die Ueber=
setzung desselben lautet, die durch Rauch Schreitenden oder
sich Erhebenden - eine Uebersetzung, die den Forschern
früherer Jahrhunderte unverständlich erscheinen mußte.
Endlich ist noch ein Bericht Lucians über die Geheim=
künste der Priester des Orakels zu Hieropolis auffallend.
Lucian will Augenzeuge gewesen sein, wie die Priester das
Orakel erhoben hatten, letzteres sich aber bald von denselben
losgemacht und alsdann frei in der Luft geschwebt hätte.
Das sind dunkle Nachrichten aus altersgrauer Zeit,
welche manchem Forscher die Vermutung aufnötigten, daß
schon die alten griechischen Prister die Montgolfiere kann=
ten; aber wir vermögen nicht mehr mit Bestimmtheit zu
entscheiden, ob diese Berichte Thatsachen entsprechen oder
nur Erdichtetes sind, nur Ausdrücke des Wunsches bedeuten,
die Kunst des Fliegens zu erfinden, der nicht nur die
Griechen, sondern alle Völker von frühster Zeit an mächtig
erregte. Der Anblick des Vogels, der so sicher die Lüfte
durchschneidet, weckte stets in der menschlichen Brust das

Verlangen, sich die Macht der Schwingen anzueignen, und
da man das Rätsel des Fluges nicht lösen konnte, tröstete
man sich mit schönen Sagen, wie die vom Dädalus und
seinem unglücklichen Sohne Ikarus.
Auch in Persien bildete der Flug durch die Lüfte ein
Problem, und man erzählt vom König Eyaxares, daß er
von den Magiern einen geflügelten Thron erhalten habe.
Dieser bestand aus leichtem Holze und vier gezähmte Adler
waren an ihm angebunden. Wollte der König eine Auf=
fahrt machen, so ließ er die Vögel zunächst hungern und
hielt, nachdem er sich auf den Thron gesetzt, ein Stück
Fleisch empor. Die Adler strebten danach und so zogen sie
den Thron hoch in die Lüfte. Sie trugen ihn wieder her=
unter, wenn sie ihren Bissen erhalten haten.
Das sind jugendliche Träume der Menschheit von der
Kunst der Luftschiffahrt!
Es nahte indessen die Zeit, wo in den Kolonien von
Großgriechenland die Wissenschaft aufblühte und durch die
philosophischen Schulen die Grundlagen zur ernsten Natur=
forschung gelegt wurden. Hier soll auch im vierten Jahr=
hundert vor Christi Geburt der erste Flugapparat erfunden
worden sein, und zwar von Archytas, einem Schüler des
großen Pythagoras. Archytas wollte die Spiele der Jugend
reformieren und erfand den Drachen, der seit Jahrtausenden
die Jugend belustigt. Von demselben Manne ist ferner in
einem alten Schriftsteller zu lesen: "Archytas, ein Philosoph
und Mechaniker aus Tarent, machte eine hölzerne Taube,
die fliegen konnte, die aber, sobald sie niedergefallen war,
sich nicht mehr von selbst erheben konnte."
Dies ist das ganze Vermächtnis, welches
uns das klassische Altertum überlieferte: ein paar Zeilen,
über die von den Gelehrten späterer Zeit umfangreiche
Bände geschrieben wurden.

***

Im Jahre 1670 trat der Jesuitenpater Franzisco Lana
mit dem Projekt einer fliegenden Barke auf. Ein Faksimile

führt uns dieselbe vor. Das Projekt war unausführbar,
aber äußerst bedeutungsvoll, ja geradezu epochemachend,
weil es ganz neue Prinzipien aufstellte. Es ist wissenschaft=
lich durchdacht, wenn auch mit den Irrtümern der damaligen
Wissenschaft behaftet.
Lana ging von dem Grundsatz aus, daß die Luft ein
Gewicht besitze und daß man aus einem Gefäße, z.B. einer
Kugel, die Luft leeren kann. Luftleer gemachte Kugeln



mußten leichter sein als mit
Luft gefüllte, und zweckent=
mußten schließlich so leicht wer=
den, daß sie emporsteigen muß=
ten, gleichwie eine hölzerne
Kugel im Wasser aufsteigt.
Über den Bau der Ma=
schine gibt Lana folgendes an:
"Man fertige vier Kugeln,
deren jede geeignet ist, zwei
oder drei Menschen in die Höhe
zu nehmen, die ausgeleert und
durch vier Stücke Holz mitein=
ander verbunden werden. Als=
dann wird eine hölzerne Ma=
schine ähnlich einem Schiff ge=
macht; dieses wird mit einem

Mast mit Segeln und Rudern versehen. Vier gleich lange
Stricke werden an den vier Kugeln angebunden, um sie an
der Erde, nachdem die Luft aus ihnen herausgezogen ist,
zu befestigen, damit sie nicht eher auffliegen als Menschen
in die Maschine gestiegen sind. Bald nachdem werden die
Stricke gelöst und alle zu gleicher Zeit losgelassen. Das
Schiff wird sich dann in die Luft erheben und viel oder
wenig Menschen mit sich nehmen, je nach Größe der Kugeln.
Nach Belieben können diese Menschen sich der Ruder und
Segel bedienen, während sie sehr schnell über das Land
und die höchsten Berge fortfahren können."

Lana dachte sich das Luftleermachen der Kugel sehr
einfach. Am oberen und unteren Ende derselben sollte sich
je eine mit einem Hahn versehene Röhre befinden. Durch
die obere Röhre sollte man die Kugel mit Wasser füllen
und dann den oberen Hahn verschließen. Hierauf sollte das
Wasser durch die untere Röhre abgelassen werden. Der
gelehrte Jesuitenpater hat gewiß keine strengeren Versuche
angestellt, sonst hätte er sich von der Unausführbarkeit seines
Projektes überzeugen müssen.
Die Ausführungen Lanas beschäftigten lebhaft die Ge=
lehrten der damaligen Zeit. Unter anderen schrieb auch
Leibniz darüber, gelangte aber zu der Ueberzeugung, daß
die Ausführung des Projekts unmöglich sei, daß Gott hier
dem Menschen einen Riegel vorgeschoben habe. Um jene
Zeit schrieb Borelli sein Werk 'De motu animalium', in
welchem er den Flug der Vögel zu erklären suchte und einen
Kunstvogel, allerdings ohnen einen Motor, konstruiert hatte,
an dem der Mechanismus des Flügels scharfsinnig erklärt
wurde.
Es mehrten sich nunmehr Projekte der Luftschiffahrt.
Das meiste Aufsehen erregte der Dominikaner P. Josef Galien,
ehemaliger Professor der Philosophie und Theologie
an der Universität zu Avignon, der im Jahre 1755 eine
kleine Schrift drucken ließ unter dem Titel: "Die Kunst,
in den Lüften zu segeln, eine physikalische und geometrische
Unterhaltung, nebst einer Denkschrift über die Natur und
Entstehung des Hagels."
Das Buch erlebte bald zwei Auflagen, denn es war
recht unterhaltend geschrieben und eine Art phantastischer
Betrachtung, wie sie in unserer Zeit z.B. über die Fort=
schritte der Technik im dritten Jahrtausend geschrieben
werden.
Galien ging von der Ansicht aus, daß die Luft aus
zwei Regionen bestehe. In der unteren Region sei schwere
Luft vorhanden, in der oberen dagegen, dort wo der Hagel
entstehe, leichtere Luft. Würde es den Menschen gelingen,
eine hohle Kugel mit dieser leichteren Luft zu füllen, so

müßte die Kugel, wenn man sie auf der Erde frei ließe,
emporsteigen, bis sie die oberste Grenze der schweren Luft=
schicht erreichte und auf dieser ebenso schwimmen würde,
wie ein Kahn auf dem Wasser.
Auf dieses Prinzip gründete er die Anfertigung seines
Luftschiffes.
"Dieses Schiff," schreibt er, "wollen wir von einer
guten und tüchtigen Leinwand bauen, diese mit Wachs oder
Teer bestreichen und mit Leder bedecken, hie und da mit
gutem Seilwerk oder, wo nötig, gar mit Tauen in= und
auswendig befestigen, so daß bei Berechnung der Schwere
des ganzen Schiffes, ohne seine Ladung, auf die Quadrat=
toise (1 Toise= 1,95Meter) etwa zwei Zentner kommen. Dieses Schiff würde
länger und breiter sein als die Stadt Avignon, und an
Höhe würde es einem ziemlich beträchtlichen Berge gleichen."
Er berechnete, daß das Schiff "zwölf Millionen Zentner
wiegen würde, ein ungeheures Gewicht, welches über zehn=
mal größer ist als das Gewicht der Arche Noah mit allen
darin befindlichen Tieren und Vorräten." Die Tragfähig=
keit desselben schätzt er auf 70 Millionen Zentner, und nach
Abrechnung des Eigengewichtes des Fahrzeuges will er auf
dasselbe eine ganze Armee mit Munition oder gar vier
Millionen Menschen (jeden zu drei Zentner gerechnet) ein=
schiffen und jedem neun Zentner Mundvorrat und Waren
zugestehen. Mit diesem Schiff könnte man nach Afrika oder
irgendwohin sonst durch die Lüfte segeln. Ueber die Form
des Schiffes ist er sich nicht klar; "das sind Dinge," meint
er, "die wir den weisen Betrachtungen unserer geschickten
Mechaniker überlassen."
"Uebrigens würde diese Schiffahrt nicht so gefährlich
sein, als man sich einbilden könnte; sie würde vielmehr
weniger Gefahren unterworfen sein als die auf dem Meere.
Bei dieser ist man verloren, sobald das Schiff zu Grunde
sinkt; bei der unserigen hingegen würde man, wenn sich
auch diese Fall zutrüge, ganz sanft auf die Erde nieder=

sinken, zur großen Zufriedenheit derer, die des Segelns
zwischen Himmel und Erde müde wären und mehr Lust
hätten, uns zu erzählen, was sie in dem erhabenen Wolken=
reiche gesehen hätten, als ihre Reise weiter fortzusetzen.
"Das herabsinkende Schiff würde so langsam nieder-
gehen, daß man für die darin befindlichen Personen nicht
das geringste zu fürchten hätte, da der Widerstand der un=
gemein breiten unteren Luftsäule alle Geschwindigkeit des
Falles verhüten würde. Ueberdies würde unser Schiff, wenn
es sich auch untergetaucht und mit gröberer Luft angefüllt
hätte, dennoch niemals um ein Drittel mehr wiegen, als
ein gleich großes Volumen von solcher Luft. Es würde also
immer viel leichter zur Erde herabkommen als die leichteste
Feder, weil diese, all ihrer Leichtigkeit ungeachtet, dennoch
um viele Male mehr wiegt, als ein mit ihr gleich großes
Volumen Luft und also in Proportionen der Massen weit
mehr, als unser untersinkendes Schiff."
Man mag das Werk des gelehrten Dominikaners als
eine geistvolle Phantasie auffassen, immerhin ist auch in den
Phantasien der Menschheit der Fortschritt der Zeit bemerk=
bar. Zwischen den wächsernen Flügeln Ikarus, dem
von Adlern emporgehobenen Wagen des Perserkönigs Eya=
xares und diesem phantastischen Luftschiff Galiens besteht
ein großer Unterschied. Die Entdeckung des Luftballons
wird hier bereits dichterisch geahnt.
Um jene Zeit beschäftigte sich auch im fernen Brasilien
ein anderer Pater, Bartholomeo Laurenco de Gusman, mit
der Aeronautik. Er kam an den Hof des Königs von Por=
tugal nach Lissabon und wußte diesen für seine Pläne zu
interessieren. Mit dessen Hilfe baute er einen Korb aus
Weidenholz von 7-8 Fuß Durchmesser und überklebte diesen
mit Papier. Unter dem Korbe wurde auf einem Herde oder
Roste ein Feuer angezündet. Am 8. August 1769 sollte der
erste Versuch stattfinden. Die königliche Familie und eine
große Zuschauermenge wohnte dem seltsamen Schauspiel im
Hofe des indischen Hauses zu Lissabon bei. Wenn man den
Berichten der damaligen Zeit Glauben schenken darf, soll

sich das Luftschiff mit Gusman majestätisch in die Höhe
erhoben haben. Leider aber wurde die Maschine gegen
einen Vorsprung des königlichen Palastes getrieben und hier=
bei so beschädigt, daß sie sich schnell wieder senkte. Gus=
man kam unbeschädigt zur Erde nieder, wurde mit Jubel
empfangen und hieß seitdem "I'Owoador". d.h. der flie=
gende Mann.
Es wird behauptet, daß Gusman seine Pläne infolge
des Einflusses der Kirche nicht weiter verfolgen durfte, da
sich Leute fanden, welche die Himmelsfahrt Christi durch solche
Apparate erklären wollten. Um diesem Aergernis vorzu=
beugen, wurde die Angelegenheit unterdrückt, obwohl Gus=
man sich der Gunst des Königs erfreute. Die Bibliothek
der Universität in Coimbra befindet sich noch im Besitze
einiger Schriftstücke, welche auf die Versuche Gusmans
Bezug haben. Sie sind für die Anschauung der da=
maligen Zeit so bemerkenswert, daß eine ausführliche
Wiedergabe derselben auch für weitere Kreise von Interesse
sein dürfte.
Das erste Schriftstück lautet*):
            "Sir.
"Der Licentiat Bartholomeo de Gusman gibt an, daß

er einen Apparat erfunden hat, um durch die Luft zu gehen,
in gleicher Weise, wie man zu Lande und zu Wasser fährt,
jedoch weit geschwinder, indem man oftmals zweihundert
und mehr Meilen Weges am Tage zurücklegt. Man wird
mit dem Apparate weit entfernte Heeres= und Landteilen
die wichtigsten Botschaften fast in der selben Zeit übermitteln
können, als dieselben expediert werden. Dies hat für Eure
Majestät wegen der größeren Entfernung Ihrer Besitzungen
weit größere Wichtigkeit als für alle anderen Fürsten, da
auf diese Weise Mißregierung des Eroberten vermieden wird,
die großenteils durch verspätete Nachrichten von denselben
erwächst. Außerdem wird Eure Majestät alles, was Sie
bedürfen, viel rascher und sicherer kommen lassen können.

Die Kaufleute können rasch Wechsel und Gelder senden und
alle belagerten Plätze können jederzeit mit Mannschaft,
Lebensmittel und Munition unterstützt werden, auch kann
man sich aus denselben Personen, welche dies wünschen,
kommen lassen, ohne daß der Feind hindern kann. Man
wird die Länder entdecken, welche den Erdpolen zunächst
liegen, und die portugiesische Nation wird den Ruhm dieser
Entdeckung davontragen und außerdem große Vorteile ge=
nießen, die sich im Verlaufe der Zeit ergeben werden. Weil
nun aber diese Erfindung viele Unordnung im Gefolge
haben kann, indem mit ihrer Hilfe viele Verbrechen be=
gangen und manche befördert werden, da man darauf baut,
in andere Reiche flüchten zu können, so ist dies zu ver=
meiden, indem nur einer Person gestattet wird, von dem
Erfundenen Gebrauch zu machen, welche jederzeit den be=
treffenden Befehl zu einer derartigen Expedition erhält,
während alle sonstigen bei harter Strafe verboten werden
und dem Bittsteller eine Erfindung von so großer Wichtig=
keit wohl belohnt wird.
"Ich bitte daher, Eure Majestät wolle gnädigst dem Bitt=
steller das Privilegium gewähren, daß nach Ausführung der
gedachten Erfindung niemand, wes Standes er sei, von ihr
Gebrauch machen dürfe, zu keiner Zeit in diesem König=
reiche oder in seinen eroberten Ländern, ohne Erlaubnis des
Bittstellers oder seiner Erben, bei Strafe der Konfiskation
seines ganzen Vermögens und sonstiger Strafe, die Euer
Majestät zu bestimmen beliebe.
E.R.M."

Verfügung
"Nach dem Antrage und außer den Strafen füge ich
noch die Todesstrafe über die Uebertreter hinzu, und um
dem Bittsteller noch mehr Antrieb zur Herstellung des neuen
Apparates zu geben, um das zu verwirklichen, wovon er
spricht, gewähre ich ihm gnädigst das erste vakant werdende
Kanonikat in meinen Seminaren zu Barcellos oder San=
tarem und die Stelle eines ersten Lehrers der Mathematik
an meiner Universität zu Coimbra mit 600 Milreis Jahres=

gehalt, welche ich hiermit neu schaffe, und zwar auf Lebens=
zeit nur für den Bittsteller."
Lissabon, den 17. April 1709.
            (Unterschrift des Königs.)

Gusman vertauschte später die Professur mit einem

Posten im Auswärtigen Ministerium, wurde jedoch beim König
angeschwärzt und rettete sich durch Flucht nach Spanien, wo
er 1724 zu Toledo starb.
Im Jahre 1775 wurde ein neues Luftschiff entdeckt,
das in die Höhe stieg und den Blicken der Umstehenden ent=
schwand. Dies geschah jedoch nicht in Wirklichkeit, sondern
in einem philosophischen Romane des Herrn de la Folie in
Rouen. Der Held der Lüfte ist hier ein Professor Scintilla,
der den elektrischen Funken repräsentieren soll. Heute treibt
die Elektrizität in der That Luftballons und wir sehen, daß
auch in diesem Falle der Dichter den Gelehrten voran=
geeilt ist.
Ein Jahr darauf wurde das leichteste Gas, der Wasser=
stoff, von Cawandisch entdeckt und es wurde zugleich gefun=
den, daß derselbe bedeutend leichter als die atmosphärische
Luft sei. Man nannte ihn entzündbare Luft, die Gelehrten
experimentierten vielfach mit derselben und im Jahre 1781
stiegen zum erstenmal mit Wasserstoff gefüllte Kugeln empor:
sie waren aber keine echten Luftballons, sondern Seifen=
blasen, mit denen der englische Gelehrte Cavallo Versuche
anstellte.
Der erste Schritt war gethan, man hatte die "leichte
Luft" der Hagelschicht des Galien zur Verfügung. Troussonet
berichtete darüber:
"Schon im Jahre 1781 hatte Herr Cavallo Seifen=
blasen, mit entzündbarer Luft gefüllt, aufsteigen lassen und
dieser Versuch hatte ihm die Möglichkeit gezeigt, Körper von
beträchtlichem Gewicht in die Luft zu erheben. Er verfertigte
daher aus sehr feinem Papier einen länglichen Sack, drei
bis vier Schuh weit; sah aber, da er ihn füllen wollte,
mit vieler Verwunderung, daß das inflammable Gas durch
das Papier drang. Er versuchte hierauf, Schweinsblasen

mit eben dem Gas zu füllen; es gelang ihm aber niemals,
sie leicht genug zu machen. Ebenso erging es ihm mit den
Fischblasen, die er nachher versuchte. Er glaubte nunmehr,
der Versuch könnte gelingen, wenn man einen Beutel aus
zusammengeleimter Goldschlägerblase verfertigte; aber ich
glaube nicht, daß er diesen Vorschlag jemals ausgeführt
habe. Er war also zwar von der Möglichkeit, vermittelst
der entzündbaren Luft Körper zu erheben, überzeugt, es ist
ihm aber doch mit keiner anderen Materie, als mit Blasen
von Seifenbrühe gelungen."
So war man in England auf dem besten Wege, den
Luftballon zu erfinden, als bald darauf aus Frankreich die
Nachricht kam, daß am 5. Juni 1783 zu Annonay eine
Maschine in die Luft gestiegen sei. Der Ruhm der Erfin=
dung gebührte den Gebrüdern Montgolfier.
Dies ist in allgemeinen Zügen die Vorgeschichte der
Aeronautik, soweit sie sich auf den Luftballon bezieht. Die
Menschen ringen nach der Lösung des Problems, ohne ge=
nügende physikalische und namentlich meteorologische Vor=
kenntnisse zu besitzen; sie stellen allerlei Vermutungen an
und im Laufe der Zeit erhalten sich diejenigen, welche der
Wahrheit am nächsten kommen. Das Experiment unterstützt
die Forscher und klärt ihre Ansichten. Die Erfindung des
Luftballons ist kein Ding des glücklichen Zufalls; sie ist das
Resultat einer planmäßigen, sich über Jahrhunderte er=
streckenden gemeinschaftlichen Arbeit vieler Forscher. Die
Arbeiten Lanas und anderer mögen uns heute äußerst dürftig
erscheinen, für die damalige Zeit waren sie von höchster Be=
deutung, denn durch diese gelangte die Wissenschaft schritt=
weise zur Erkenntnis der Vorbedingungen, welche nötig
waren, um Körper, die schwerer als die Luft sind, in dieser
zu erheben.

Seite 12

Die ersten Luftballons

In Frankreich kursierte die Anekdote, daß man die Er-
findung des Luftballons der Frau Montgolfier zu verdanken
habe. Diese Dame hatte ein Unterröckchen waschen lassen,
welches sie an einem Festtage zur Kirche anziehen wollte.
Das Waschen geschah etwas spät und das Unterröckchen
wurde auf einem Gestell in der Nähe eines Ofens getrocknet.
Da geschah es, daß das trockene gestärkte Röckchen plötzlich
durch die warme Luftströmung emporgehoben wurde. Frau
Montgolfiere teilte dieses überraschende Ereignis ihrem klugen
Gemahl mit und dieser wußte es zu deuten und baute
seine Montgolfiere.
Nicht alle Anekdoten sind geschichtlich wahr, und so
verhält es sich mit dieser. Es hieße den Ruhm der Erfinder
des Luftballons schmälern, wenn man behaupten wolle, daß
sie ihre Erfindung durch einen Zufall gemacht haben.
Die Montgolfier waren seit altersher berühmte Papier-
fabrikanten und ihre in Annonay belegene Fabrik hatte
den Titel einer königlichen Manufaktur. Um das Jahr
1770 waren die Brüder Stephan und Joseph Besitzer der-
selben. Sie lebten in glücklichen Vermögensverhältnissen,
die ihnen gestatteten, ihre Mußezeit wissenschaftlichen Stu-
dien zu widmen. Ohne Zweifel hatten sie auch das Werk
Galiens von der 'Kunst in der Luft zu segeln', gelesen,
und dieses Werk regte sie zu Versuchen an.
Was sie nachahmen wollten, daß war nicht der Flug
des Vogels, sondern die Wolken, die am Himmelszelt ziehen.
Sie sahen ja, daß die Wasserdämpfe in Nebelgestalt sich vom
Erdboden erhoben, sich in höheren Regionen erhielten und
den Luftraum durchsegelten. Sie wollten die Materie der
Wolken untersuchen und schritten zunächst dazu, künstliche
Wolken zu fabrizieren. Das Material hatten sie zur Hand.
Sie formten einen Sack aus leichtem Papier und füllten
ihn mit Wasserdampf. Sie da! Der Versuch gelang;
die papierne Wolke erhob sich. Leider sank sie wieder

Seite 13
schnell, da der Dampf sich verdichtete. Nun dachten sie an
den Rauch, der ebenso wie die Wasserdämpfe emporsteigt.
Der Versuch, den sie mit diesem anstellten, fiel nicht besser
aus. Im ersten Augenblick erhob sich der mit heißem Rauch
gefüllte Papiersack, fiel jedoch rasch zur Erde nieder. Sie
konnten sich den Grund dieser Erscheinung nicht erklären;
denn die Tatsache, daß die Luft durch Wärme ausgedehnt
in infolgedessen leichter wird, war damals noch nicht bekannt.
Da brachte Stephan von einer Reise nach Montpellier
eine neue wissenschaftliche Publikation, das Buch Priesleys:
'Ueber die verschiedenen Arten von Luft'. Daraus lernten
die Brüder den Wasserstoff kennen. Sie hatten nun eine
leichtere Substanz als die atmosphärische Luft und verfielen
auf denselben Gedanken wie Cavallo; sie beschlossen, ihre
künstliche Wolke mit dieser entzündbaren Luft zu füllen, in
der Hoffnung, daß sie sich alsdann lange in der Höhe
halten werde.
Ihre Versuche scheiterten jedoch aus demselben Grunde
wie die Cavallos. Der Papiersack war nicht luftdicht genug.
Sie standen vor einem scheinbar unlösbaren Rätsel und
wußten nicht, warum die Wolken oben am Himmelszelt
schweben konnten.
Um jene Zeit mehrten sich wissenschaftliche Entdeckungen.
Die wunderbare Naturkraft Elektrizität, die noch heut zur
Erklärung rätselhafter Phänomene so gern herangezogen
wird, beschäftigte eifrig die Gemüter der Gelehrten. Die
Brüder Montgolfier lebten ja in einer Zeit, wo neben den
magnetischen auch elektrische Kuren versucht wurden; kein
Wunder, daß auch sie die Ursache des Wolkenfluges auf die
Elektrizität zurückführten. In der freien Natur entstand sie
augenscheinlich in feuchten heißen Dünsten; bewiesen es nicht
die schwülen Gewitterwolken, die Blitz und Donner in ihrem
Schoße bargen? Die Brüder dachten nun daran, solche
mit der Elektrizität beladene Dünste zu erzeugen. Sie
nahmen jetzt feuchtes Stroh und gehackte Wolle, entzündeten
diese Stoffe unter ihren Papierballons und fanden, daß
ihre Wolken zu ganz ansehlichen Höhen stiegen.

Seite 14
Vielmals wiederholten sie den Versuch im kleinen,
bis sie eines Erfolges im großen sicher waren und zu einer
öffentlichen Vorführung desselben schritten.
"Dienstags den 5. Juni 1873", schreibt Faujas de
St. Fond, der erste Geschichtsschreiber der Aeronautik, der
mit den Brüdern Montgolfier befreundet war, "wurden die
Landstände von Vivarais, welche sich eben zur Annonay ver-
sammelt hatten, von den Erfindern der aerostatischen Ma-
schine zu dem Versuche eingeladen, den diese vor den Augen
des Publikums anzustellen beschlossen hatten.
"Wie sehr fanden sich die Abgeordneten der Stände und
alle Zuschauer überrascht, als sie auf dem öffentlichen Markt-
platze einen Ballon von 110 Schuh im Umfange erblickten,
der an seinem untersten Punkte an einen Rahmen von
16 Schuh ins Gevierte befestigt war. Dieser große Ueber-
zug wog mit seinem Rahmen 500 Pfund und konnte
22000 Kubikschuh Dämpfe enthalten.
"Wie groß aber war das allgemeine Erstaunen, als die
Erfinder dieser Maschine ankündigten, sobald sie mit einem
Gas gefüllt sein werde, das sie nach ihrem Gefallen durch
das einfachste Verfahren hervorbringen könnten, so werde
sie sich von selbst an die Wolken erheben. Bei allem
Zutrauen, welches man auf die Einsicht und Klugheit der
Herrn von Montgolfier setzte, schien doch dieser Versuch
denen, welchen Zeugen desselben sein sollten, so unglaublich,
daß die einsichtsvollsten Personen, selbst diejenigen, welche
mit dem günstigsten Vorurteil dahin gekommen waren, alle
Hoffnung eines guten Erfolges fast ohne Bedenken auf-
gaben.
"Jedoch die Herren von Montgolfiert legten die Hand
ans Werk und fingen an, die Dämpfe zu entbinden, welche
das Phänomen bewirken sollten. Die Maschine, welche bis
hieher nichts weiter, als einen Ueberzug von Leinwand, mit
Papier gefüttert, einen ungeheuren 35 Schuh hohen luft-
leeren Sack voller Falten vorgestellt hatte, blies sich auf,
schwoll zusehends, nahm Festigkeit und eine schöne Form
an, spannte sich nach allen Seiten und strebte in die Höhe

Seite 15
zu steigen. Noch ward sie durch starke Männer zurückge-
halten; kaum aber war das Signal gegeben, so stieg sie
auf und schwang sich schnell in die Luft, wo sie mit be-
schleunigter Bewegung in weniger als zehn Minuten eine
Höhe von 1000 Joch erreichte.
"Sie ging nunmehr 7200 Schuh weit in horizontaler
Linie fort, sank in dieser Weite wieder, weil sie viel von
ihrem Gas verlor, und würde sich ohne Zweifel weit länger
in der Luft erhalten haben, wenn es die Umstände erlaubt
hätten, sie mit der gehörigen Festigkeit und Genauigkeit zu
verfertigen. Inzwischen war doch der Zweck erreicht und
dieser erste mit so gründlichem Erfolg belohnte Versuch wird
den Herren von Montgolfier auf immer die Ehre einer der
erstaunenswürdigen Entdeckungen versichern."
Der jüngere Montgolfier gab folgende Beschreibung
des Ballons:
"Die aerostatische Maschine, mit welcher der Versuch
in Gegenwart der Landstände von Vivarais Dienstags den
5. Juni 1783 angestellt wurde, war von Leinwand, mit
Papier gefüttert, das man auf ein an die Leinwand be-
festigtes Netz von Bindfaden genäht hatte. Sie hatte eine
ziemlich kugelförmige Gestalt, hielt 110 Schuh im Umfange
und war unten an einem hölzernen Rahmen von 16 Schuh
ins Gevierte bebestigt. Sie faßte ungefähr 22000 Kubikschuh
und trieb also, wenn man die mittlere Schwere der Luft
für 1/800 der Schwere des Wassers annimmt, eine Luftmasse
von 1980 Pfund aus der Stelle.
"Die Schwere des hiningefüllten Gases betrug unge-
fähr halb so viel; denn es wog 990 Pfund. Es blieben dem-
nach noch 490 Pfund Uebergewicht, welches auch der Ver-
such bestätigte. Die verschiedenen Stücke der Maschine
wurden durch bloße Knöpfe und Knopflöcher aneinander
gehalten; zwei Personen waren hinreichend, sie aufzurichten
und mit Gas zu füllen, aber, um sie zurückzuhalten, waren
acht Personen nötig und sie ließen sie nicht eher, als auf
ein gegebenes Signal los."

Fortsetzung folgt



© horst decker