Beschreibung des Ballons

entnommen aus dem Buch 'Die Natur, ein Lesebuch für Schule und Haus'. Erschienen 1869 in der 'literarisch-artistischen Anstalt der J.G. Cotta'schen Buchhandlung' München im Jahre 1869.
Schwedische Originalausgabe von Professor Dr. N.J. Berlin, Lund. Deutsche Übersetzung von Dr. Lorenz Tutschek. Hier wörtliche Abschrift Seite 487-490 aus dem Kapitel 1. Abteilung VII. 'Von der Luft'.

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Die Luft ist ein elastischer Stoff, d.h. sie kann auf einen kleineren Raum zusammengepresst werden, und hat stets das Bestreben sich auszudehnen und jeden noch so großen Raum vollständig auszufüllen. Sie ist deßhalb an manchen Orten dichter und schwerer, an anderen dünner und leichter. Die Luft, welche der Erde zunächst liegt, ist schwerer als jene, die höher oben sich befindet; denn die Luft, welche tief unten liegt, wird durch die über ihr befindliche zusammengedrückt. Die letztere ist aber nicht nur leichter und dünner, sondern auch kälter als die der Erde zunächst liegende. Dies kommt daher, daß die Luft wenig Wärme von den Sonnenstrahlen in sich aufnimmt, wenn diese durch sie hindurch gehen. Die Erdoberfläche dagegen wird von den auf sie fallenden Sonnenstrahlen stark erwärmt und gibt von den auf sie auffallenden einen Theil an jene Luft ab, welche zunächst an ihr sich befindet. Es ist schon auf Seite 379 angegeben worden, wie aus diesem Grunde auf hohen Bergen bei einer gewissen Höhe über der Meeresfläche der Schnee niemals schmilzt, und wie Reisende, welche so hoch hinaufkommen, durch die dünne Luft belästigt werden, so daß es ihnen schwer wird zu athmen, und ihnen sogar Blut aus Lippen und Augen austreten kann.
  Das Gleiche haben auch Diejenigen bisweilen erfahren, welche in die Luft hinaufgesegelt sind und zu einer bedeutenden Höhe sich erhoben haben. Man mag sich wohl darüber verwundern, daß es überhaupt möglich ist, so hoch in die Luft aufzusteigen; dieß geht aber auf ganz natürliche Weise zu. Wir wissen ja, wenn man ein Stück weiches, trockenes Holz im Wasser zu Boden drückt, so steigt es sogleich wieder herauf, sobald man es frei läßt, und zwar einfach darum, weil das Holz leichter ist und weniger wiegt als ein gleich großer Raum Wasser.
Auf dieselbe Weise muß ein Gegenstand, welcher leichter ist als ein gleich großer Raum Luft, in die Luft emporsteigen. Zu diesem Zwecke macht man nun eine große, hohle Kugel aus Seidenzeug, der außen gefirnist ist, so daß er keine Luft hindurchläßt; eine solche Kugel nennt man Luftballon. So lange der Luftballon mit Luft gefüllt ist von der Beschaffenheit und Wärme, wie sie hier unten an der Erde sich befindet, kann er nicht hinaufsteigen. Wenn man ihn dagegen mit einer viel leichteren Luftart, also z.B. mit Wasserstoffgas füllt, welches vierzehn mal leichter ist als Luft, dann wiegt der Seidenzeug und das Wasserstoffgas zusammen viel weniger als ein gleich großer Raum von der Erde zunächst befindlichen Luft; deßhalb steigt der Ballon nach oben und kann je nach seiner Größe auch noch andere Lasten mit sich empor heben. Diejenigen, welche mit einem Luftballon reisen wollen, pflegen unten an demselben eine Art Boot zu befestigen, in welches sie sich setzen, und wohin sie Lebensmittel und Ballast, gewöhnlich Sand, mitnehmen. Anfang geht das Emporsteigen sehr rasch, später immer langsamer und langsamer, bis sie zuletzt in einer Höhe kommen, wo die Schwere des Ballons, sammt dem was darin und daran ist, der Schwere der Luft gleich kommt, in der sie sich nun befinden. Hier ist ein etwas höheres Steigen nur möglich, wenn sie diese Schwere verringern, und



dieß geschieht durch das Auswerfen des mitgenommenen Sandes. In allen Höhen ist der Luftballon dem Windzuge preisgegeben, da ein Lenken desselben und Fahren gegen den Wind nicht möglich ist. Es wird daher immer nach der Richtung geführt, wohin der Wind bläst.
Mit solchen Luftballons sind schon viele Reisende hoch in die Luft hinaufgestiegen und von dem scharfen Windzuge über Meere und hohe Berge in andere Länder fortgeführt worden, wobei sie Land und Wasser unter sich erblickt haben wie auf einer Landkarte. Wenn sie dagegen in dickes Gewö:lke oder über dasselbe kamen, so war ihnen der freie Ausblick verschlossen. Diese Luftreisen sind jedoch auch oft unglücklich ausgegangen. Es ist vorgekommen, daß der Luftfballon zuletzt sich in das Meer niedersenkte und die Reisenden den Wellen preisgab, oder daß ein Loch in dem Seidenzeug entstand, so daß das Wasserstoffgas ausströmte und der Ballon sammt den Reisenden mit großer Schnelligkeit von einer bedeutenden Höhe herabfiel. Die weiteste Luftfahrt war diejenige welche der bekannte englische Luftschiffer Green im Jahre 1839 ausführte, wo er in Zeit von 24 Stunden von London aus über das Meer herüber nach Deutschland fuhr und sich in Coblenz wieder auf die Erde niederließ. Die größte Höhe dagegen, zu der Menschen sich je erhoben haben, war jene, bis zu welcher ein berühmter französischer Gelehrter bei seinen Luftreisen im Jahre 1804 emporgestiegen ist, dennn er kam fast eine ganze Meile weit von der Erde hinauf. Es gibt aber natürlich für jeden Ballon eine gewisse Höhe, über welche hinaus er wegen der Dünnheit der Luft unmöglich weiter steigen kann. Verschiedene Gelehrte haben solche Luftreisen zu dem Zweck unternommen, um den Zustand der Luft in den höheren Schichten zu untersuchen, wobei sie verschiedene nützliche Beobachtungen und Entdeckungen machten. Noch ist es nicht gelungen, an dem Ballon solche Vorrichtungen anzubringen, daß man mit ihm in beliebiger Richtung segeln kann, wie mit dem Schiff auf dem Wasser. Erst wenn dieses Geheimnis entdeckt ist, wird die Luftschifffahrt im Allgemeinen für die Menschen nutzbar gemacht werden können. Statt des reinen nur mit sehr vielen Kosten zu bereitenden Wasserstoffgases hat man in neuerer Zeit auch das bedeutend wohlfeilere Steinkohlengas (Kohlenwasserstoffgas) angewendet. Noch eine andere Art, den Ballon zum Steigen zu bringen, besteht darin, daß man ihn mit gewöhnlicher Luft füllt und diese durch unten aufgehängte Lampen verdünnt. Die ersten Luftschifffahrten wurden nur auf die letztere Art ausgeführt.