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Die Flugzeughandschrift des Melchior Bauer

Dies ist eine Abschrift der 'Flugzeughandschrift des Melchior Bauer' in der Ausführung seiner Eingabe an den Grafen Heinrich XI. von Reuß. Wir haben uns für eine Abschrift entschieden, da die von Bauer verwendete Handschrift für 99% der Bevölkerung nicht mehr identifizierbar wäre, selbst wir haben teils große Schwierigkeiten, die Worte zu entziffern.
Der eigentlichen Handschrift geht eine Einleitung Professor Friedrich Schneiders des Staatsarchives Greiz von 1928, dem Erscheinungsjahr der 2. Auflage des Faksimiles voran.

Einleitung von Prof. Friedrich Schneider 1928

Über Melchior Bauers aus Lehnitzsch bei Altenburg anscheinend eigenhändig geschriebene Eingabe an den Grafen (Heinrich XI.) von Reuß dürfen hier einige Worte gesagt werden, bevor die Historiker der Technik den Mann und seine Ideen über die Erbauung eines Gleit-Luftfahrzeuges in die Geschichte ihrer Disziplin einreihen und würdigen. Da Heinrich XI. erst im Jahre 1778 gefürstet wurde, die Handschriftm aber noch zu dem Grafen spricht, muß sie noch vor diesem Jahre abgefaßt sein.

Die Handschrift wurde bei Ordnungsarbeiten in den alten preußischen Archiven auf dem Schloßberg in Greiz, jetzt Thür. Staatsarchiv gefunden und erregte in sachverständigen technischen Kreisen berechtigtes Aufsehen. Wir begnügen uns an dieser Stelle damit, auf den ungemein reizvollen kulturgeschichtlichen Gehalt des merkwürdigen Schriftstückes hinzuweisen.

Melchior Bauer wurde am 19. Oktober 1733 in Lehnitzsch geboren. Sein Vater Hans war dort Einwohner und Gärtner; seine Mutter hieß Maria und war die Tochter des Peter Lincke. Die Familie geriet später in Vermögensverfall. Dem Sohne Melchior fiel dabei ein Erbgeld von 20fl. zu; doch hat man dreißig Jahre lang nach seinem Weggang nichts mehr von ihm gehört und auch später nichts von seinem Leben und Tod erfahren, so daß die oben genannte Summe nie ausgezahlt worden ist. Das Geburtshaus des berühmten Mannes läßt sich nicht mehr nachweisen, da fast das ganze Dorf Lehnitzsch am 7. Mai 1831 einer Feuersbrunst zum Opfer fiel. Über die Familie, den Ort und die wechselnden Besitzer hat Herr Kanzleisekretär Franz Ronas in Altenburg eine Anzahl Feststellungen getroffen, die dem Thür. Staatsarchiv in Altenburg einverleibt worden sind. Über die Geburt des Melchior unterrichten die Kirchenbücher der Parochie Stünzhain. Die Nachrichten über die Geburt des Vaters sind in den Kirchenbüchern der Parochie Mockern aufgeführt. Weitere Angaben sind im alten Grundbuch für Lehnitzsch und den Lehnitzscher Gerichts- und Handelsbüchern bzw. Patrionials- und Gerichtsbüchern zu finden.

Nach unserer Veröffentlichung der Handschrift hat Franz Maria Feldhaus, Tage der Technik 1925 (Verlag R.Oldenbourg, München) unter dem 19. Oktober die Erinnerung an Melchior Bauers Gleitflieger 1763 festgehalten. Auch Herr Fabrikbesitzer Alfred Schmidt auf Schloß Ehrenberg bei Altenburg hat für das Andenken des Melchior Bauer in Lehnitzsch seither Sorge getragen, wo übrigens auch der berühmte Schachmeister Ernst Richard Teichmann geboren wurde ( geb. 23.XII.1868 in Lehnitzsch, gest.12.VI.1925 in Berlin). Die sonstigen archivalischen Nachrichten sind dürftig. Nach seiner eigenen Angabe weilte er im Jahre 1763 in London, um dort bei dem König (Georg III.) von England für seine 'geheime Bauoffenbarung' Unterstützung zu suchen; aber er wurde von dem Memorial-Schreiber, der das Gesuch an den König aufsetzen sollte, ob solcher 'Narrheit' nicht ernst genommen. Nicht für 500 Pfund Sterling wollte der Mann ein solches Schreiben verfassen.

Nach seinem Aufenthalt in London begab sich Melchior Bauer nach Potsdam, um dort bei dem großen König sein Heil zu versuchen. Im gleichen Jahr 1763 schrieb er an diesen; aber er fügte bedauerlicherweise seinen Ausführungen keine ;Figuren der Kunst' bei (Anm. autoverteranen.de Figuren der Kunst = technische Zeichnungen und Skizzen). 'Narr' tönte es ihm auch hier, mitleidig und vernichtend entgegen. 'Wenn ihr das tun könntet', äußerte der Vertraute des Königs, 'wenn ihr das tun könntet, der König ließ euch eur leb Tage in einer güldenen Kutsche fahren und ihr dürftet nie wieder zu Fuß gehen, wenn ihr sonst nicht wolltet.'

Die Schriften Moses, des Königs Salomo und Hesekiels haben Melchior Bauers Vorstellungswelt von dem 'Gnadenstuhl' oder dem 'Cherubwagen' außerordentlich beeinflußt. In drei bis vier Monaten wollte er das Gleit-Luftfahrzeug aus Holz, gewirkter Seide und messingnen Drähten wohl anfertigen. Der Bau sollte in einem Hause auf einem hohen Berg vor sich gehen. Die Beschreibung der geplanten Konstruktion ist so klar, daß Herr Horst Schneider, Studierender der Technischen Hochschule in Dresden, für die Jahresschau Deutscher Arbeit in Dresden im Jahre 1923 ein Modell baute, das sich jetzt gleichfalls im Thür. Staatsarchiv in Greiz befindet.

Gottes Rat sei, behauptete Melchior Bauer, daß wir Menschen drei Wege gehen, auf Erden, zu Wasser und in der Luft. Sollen denn die dummen Fliegen, Mücken und Heuschrecken einen ewigen Vorzug vor vernünftigen Menschen und Kindern Gottes haben?
In seinem Bittgesuch an den reußischen Grafen wurde Melchior Bauer nach so vielem vergeblichem Bemühen um der Sache willen noch bescheidener; er wollte für den Bau Papier statt der zuerst geforderten Seide benützen, dann würde der Herstellungspreis des Flugzeuges nur 10 Thaler kosten. Die meisten Kosten mußte das Haus, in dem er bauen wollte, verursachen. Aber er wollte durchaus im geheimen bauen. Denn die Päbste, die er mit aller Leidenschaft haßte, weil sie dem Volke die Bibel und den Priestern die Ehe verbieten, werden neben den ungläubigen, abgöttischen Heiden den Bau eines solchen 'Triumphwagens' nicht dulden. Denn durch diesen Wagen würde Gottes Wort, wie er es versteht, in der ganzen Welt verbreitet werden bei Juden, Türken und Heiden.

Das Gewicht des Wagens sollte 45 bis 50 Pfd. ausmachen, er sollte in der Luft einen Menschen tragen und dazu noch 100 Pfd. . Man könne also in künftigen Zeiten über die antichristlichen und abgöttischen Völker und Städte Feuer, Pulver und Steine zentnerweise werfen. Alle müssen dann zu dem wahren Christo laufen. In diesen und anderen eindringlichen Worten legte Melchior Bauer dem reußischen Grafen die Notwendigkeit und Sicherheit des Baues dar. Das Ganze werde nicht so viel Mühe machen, wie die Windmühle, die im Jahre 1364 Flügel hatte, 'Gott aber weiß alles, was noch wird.'

Er hat auch hier vergeblich gesprochen. Das ersehnte und erträumte Rauschen und Brausen seines Luftfahrzeuges hat er nie gehört.
Die Wiedergabe der Handschrift erfolgte durch F.Ullmann G.m.b.H. in Zwickau i.Sa. in deren patentiertem Manuldruck-Verfahren.
Herrn Paul Felix Schuster danke ich an dieser Stelle für mannigfaltige freundliche Mitarbeit.

Friedrich Schneider,

© horst decker



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